Eine Königin als Künstlerin – Margrethe II. von Dänemark.
Können Könige auch Künstler sein? Früher war das keine Frage, man denke nur an den Flötisten Friedrich II., und auch unser letzter Wilhelm dilettierte als Künstler: er spielte mit dem Pinsel Schiffe-Versenken. Aber heute? Vor einiger Zeit war ich zufällig Zeuge eines solchen Zusammenpralls von Kunst und Monarchie. Es war im dänischen Odense. Wie die Leser bunter Blätter – und nur wenige politisch Interessierte – wissen, hat Königin Margrethe II. eine durchaus kreative Ader: Bekannt sind ihre Illustrationen, Design-Entwürfe und Bühnen-Dekorationen. Aber Margrethe macht auch „richtige“ Kunst: sie malt. Damals in Odense zeigte sie ihre Leinwände im Museum Brandts Klædefabrik; bei der Pressekonferenz war ich zufällig anwesend.
Es war ein denkwürdiger Moment: Da sass die Repräsentantin einer mehr als tausend Jahre alten Dynastie ganz bescheiden an einem kleinen Tisch; halb hinter ihr hatte der Hofmarschall Platz genommen, Beschützer und Aufpasser zugleich, einige Bodyguards rundeten das Ensemble ab. Die Journalisten schienen nicht so recht zu wissen, wie sie sich verhalten sollten. Man stelle sich vor: Elisabeth II., im Interview befragt – undenkbar! Das wird in Dänemark zwar lockerer gehandhabt, doch auch hier ist die Königin stets Ihre Majestät. Aber zugleich war sie in dieser besonderen Situation eben auch eine Künstlerin, die ihre Werke der Öffentlichkeit vorstellte und damit der allgemeinen Kritik preisgab. Man durfte sie also durchaus auf ihr Werk ansprechen – was dann auch geschah, und (soweit ich das ohne jegliche Dänisch-Kenntnisse beurteilen konnte) sie beantwortete die Fragen nach bestem Wissen.
Hier prallten wirklich zwei Welten auf einander: Auf der einen Seite das Monarchisch-Höfische, durch Tradition, Gesetze und Protokoll auf das Strengste reglementiert; und auf der anderen Seite die Kunst, deren Wesenskern die Freiheit ist: Die Kunstgeschichte lässt sich lesen als das kontinuierliche Bemühen, die durch geschriebene und ungeschriebene Regeln gesetzten Grenzen zu sprengen. Auf einer höheren Ebene allerdings kommen Kunst und Monarchie einander wieder recht nahe, ist die Kunst doch auch heute noch von jenem geheimnisvollen Zauber umweht, der dem Kultus im religiösen Ursprung zu eigen war – ganz wie dem Königtum. Nicht umsonst sprechen britische Royalisten vom mystique der Monarchie. Die Zerstörung eines Kunstwerks gilt seit jeher als Sakrileg – sogar dann, wenn der Künstler selbst den Frevel begeht.
Eine Königin als Künstlerin – Margrethe II. von Dänemark. Man kann vor dieser Frau nur großen Respekt haben. Es lässt sich ja gut ausmalen, dass die Republikaner begierig auf einen Anlass warten, die Herrscherin abzuwerten, und eine negative Kunst-Kritik bietet dafür eine exzellente Gelegenheit. Aber Margrethe nimmt das Risiko auf sich, sie wagt etwas – gerade so wie jeder Künstler, der seinem ganz eigenen Weg folgt und sich dann dem Urteil der Öffentlichkeit stellt. – Der guten Ordnung halber sei hinzugefügt, dass der dänische Hof die Kunst selbstverständlich auch als Mittel monarchisch-dynastischer Selbstdarstellung nutzt.
Und wie ist nun die Kunst der Königin? Der Berliner würde sagen: gar nicht so schlecht. Was im allgemeinen als ein gewisses Lob gilt…
NB: Meine Überschrift bezieht sich natürlich auf das Buch von Alan Bennett, das die Wandlung Königin Elisabeths von der gestrengen Monarchin hin zur passionierten Leserin und – das legt der Schluss nahe – zur Abdankung und zum Leben als Schriftstellerin beschreibt. Falls Sie es noch nicht kennen: Es ist ein wirklich großes Lesevergnügen, das Sie sich nicht entgehen lassen sollten. Hier ein Link: Die souveräne Leserin, Wagenbach-Verlag.
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