Künstler-Karrieren (1): Mondrian, Beckmann

Es ist eine bemerkenswerte Tatsache, dass bildende Künstler erst relativ spät ihren eigenen Weg finden. Während Musiker, Schauspieler oder Schriftsteller bereits als Teenager, sogar schon als Kinder Karriere machen können, liegt der Startpunkt für Maler und Bildhauer in der Regel in ihren mittzwanziger, oft dreißiger Jahren. Das gilt z.B. für die damals als Jung-Karrieristen verschmähten „Heftigen Maler“ vom Moritzplatz, und auch das jugendliche Genie Picasso musste 25 werden, bevor er mit den Demoiselles d’Avignon seinen kubistischen Durchbruch hatte.
Beispiel für einen ganz besonderen Spätling ist Piet Mondrian. Er musste sich – zumeist in großer materieller Not – durch Naturalismus, Impressionismus, Kubismus und den frühen Neo-Plastizismus hindurcharbeiten und beinahe fünfzig Jahre alt werden, bis er, 1921, jene Struktur entwickelte, die wir auf den ersten Blick als einen typischen Mondrian identifizieren. Zur Belohnung für diese Plackerei ist er heute einer der beliebtesten Künstler der Abstraktion und steht für die moderne Kunst schlechthin.
Wie es anders gehen kann, demonstriert Max Beckmann. Bereits als 21-Jähriger schuf der geborene Leipziger mit dem monumentalen Gemälde Junge Männer am Meer ein Meisterwerk in der Tradition der Historienmalerei, für das er große Anerkennung und den Villa-Romana-Preis gewann. Aber auch er war bereits in seinen End-Dreißigern, als er schließlich seinen ganz eigenen Weg fand und der Kritiker Julius Meier-Graefe 1924 schreiben konnte: „Max Beckmann ist das neue Berlin“.
Beckmann war im übrigen nicht nur ein höchst selbstbewusster, sondern auch äußerst strategisch denkender Mensch. Von seiner Einzigartigkeit zutiefst überzeugt, lehnte der Beinahe-Expressionist die Zusammenarbeit mit den Brücke-Künstlern ab, trat in die Berliner Secession ein und schnell wieder aus und gründete seine eigene, allerdings sehr kurzfristige Sezession. Die Tagesaktualitäten – Kubismus, Abstraktion oder gar Dada – wies er zurück und beharrte auf einer eher traditionellen Figuration. Als ein Meister der Strategie erwies er sich im Umgang mit den führenden Galeristen der Avantgarde, die er alle nutzte, aber auch gegeneinander ausspielte, hießen sie nun Paul Cassirer, I. B. Neumann oder Alfred Flechtheim; Meier-Graefe setzte er ebenso wie Harry Graf Kessler geschickt als seine Propagandisten ein. Auch seine vielen Selbst-Porträts hatten einen strategischen Nebeneffekt: mit ihnen malte er sich nicht nur stilistisch, sondern auch physiognomisch in die Kunstgeschichte ein.